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bis 1703

Um 1650 wird die „Geistbühelkappelle“ (Pestkapelle) gebaut. Erste urkundliche Erwähnung

 

1667 Die Zirler Schützen werden erstmals urkundlich bei der Sebastiansprozession erwähnt. 1670 In Scharnitz und Leutasch wird jeweils eine Grenzfestung errichtet. Der Name „Porta Claudia“ für die Festung in Scharnitz scheint aber erst im 18. Jahrhundert erstmals auf. Bis zur Errichtung der Festung in Scharnitz war nur die Burg am Schlossberg bei Seefeld, das „Milser Schlössl“ als Grenzfestung gegen Norden ausgebaut. Die Übergänge und Täler an der Nordgrenze Tirols, waren damals nur mit Schanzanlagen versehen.

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1677 werden im Aufgebot der Hörtenberger folgende Zirler erwähnt: Peter Sibelin, Bartlmä Zechendtner, Martin Lechleitner, Gregori Lechleitner, Martin Kranbiter, Matthäus Knol, Gregori Seiller, und Sebastian Kolb. 1694 Votivbild in der Geistbühelkappelle - es stellt vermutlich ein Ereignis dar, das ein Zirler Schütze im 30jährigen Krieg erlebt hat. 1632 war das Außerfern zwischen der Festung Ehrenberg und die Stadt Füssen beinahe ein Jahr lang Kampfgebiet, das ständig erobert und wieder rückerobert wurde. Die auf diesem Votivbild dargestellte Stadt ist vermutlich Füssen (Türme). Der gefangene Tiroler Schütze entkommt dem sicheren Tod durch enthaupten, weil ein überraschender Gegenangriff die Henker zur überstürzten Flucht zwingt. Die Soldaten werden dabei, wie am Bild dargestellt, vom Hl. Sebastian angeführt. 1700 und 1701 ziehen mehrmals österreichische Truppen durch Zirl, die zur Verstärkung der Truppen für Prinz Eugen in Oberitalien bestimmt sind.

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Spanischer Erbfolgekrieg

 

1703 In Tirol ist dieser Krieg, ob seiner Kürze von rund zwei Monaten, ironisch als „Bayrischer Rummel“ bekannt. Bei dieser Auseinandersetzung kam es zu erbitterten Kämpfen, wobei auch große Grausamkeiten an der Zivilbevölkerung verübt wurden und unermessliche Schäden durch Brandschatzungen zu beklagen waren. Die Ursache, die zu diesem Krieg von 1701 bis 1714 führte, war typisch für die Geisteshaltung dieser Zeit. Kaiser, Könige und Fürsten betrachteten ihre Länder als persönlichen Besitz, den man verkaufen, verpfänden, verschenken und natürlich auch vererben kann. Ebenso waren vielfach die Untertanen Besitz des jeweiligen Landesfürsten. Als sich Frankreich und Österreich bezüglich der Erbansprüche in Spanien nicht einigen konnten, kam es 1701 zum Krieg zwischen diesen beiden Ländern. Dieser Krieg entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem Weltkrieg.

 

Er wurde nämlich nicht nur auf dem europäischen Kontinent, sondern auch auf den Weltmeeren und in den Kolonien in Übersee ausgetragen. England und Holland unterstützten dabei Österreich. Der bayerische Kurfürst Max Emanuel, der sich ursprünglich zur Neutralität bekannte, trat aber auf der Seite Frankreichs in den Krieg ein. Typisch für diese Zeit war aber auch der Glaube an Hexerei und an Vorboten für schreckliche Ereignisse. Ein sich ankündigender Krieg, der die Menschen verständlicherweise in Angst und Schrecken versetzte, war ein solches Ereignis. So wurden beispielsweise die verheerende Heuschreckenplage (1695), die gewaltigen Stürme des Jahres 1697 und die fürchterlichen Hochwetter des Jahres 1702 als untrügliche Vorboten für kommendes Unglück angesehen. Es wird berichtet, dass die Bevölkerung des Nachts von unerklärlichem Lärm geweckt wurde. Am 2. August 1702, so wird berichtet, wurden bei der Martinswand und im Scharnitzwald schauderhaftes Kriegsgetümmel und im Oberland Kanonendonner und Trommelstreiche war genommen. Auch sonderbare sogenannte „Sternengefechte“ wurden beobachtet. Vermutlich waren diese Himmelserscheinungen Sternschnuppen, die im August auch heute noch verstärkt auftreten.

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Die Verteidigungsvorbereitungen, bei einen drohenden Angriff, wurden, wie so oft in der Geschichte unseres Landes, zu spät und halbherzig in Angriff genommen. Auch unfähige militärische Führer haben dann noch das ihre dazu beigetragen. Die Verteidigungsmannschaften, so wurde befohlen, haben sich am 17. Juni in Innsbruck zu sammeln. Am darauffolgenden Tag sollten sie Richtung Kufstein abmarschieren um mit den Verteidigungsvorbereitungen zu beginnen. Am 17. Juni 1703 griff aber bereits der bayerische Kurfürst, Max Emanuel mit ca. 12.000 Mann, die sich zuvor bei den Türkenkriegen in Ungarn hervorragend bewährt haben, bereits bei Kufstein Tirol an. In wenigen Tagen war deshalb das Unterinntal bis Innsbruck von den Bayern bereits besetzt. Das kaiserliche Militär, vom raschen Vordringen der Feinde völlig überrascht, setzte sich fluchtartig über den Brenner ab. Der zum „Militär-Direktor von Tirol“ ernannte General Gschwind, machte bei diesem fluchtartigen Rückzug seinem Namen alle Ehre. Jetzt rächte sich, dass das Aufgebot der Schützen zu spät und in Unterschätzung des Feindes, in zu geringer Stärke alarmiert wurde und das die Verteidigungsstellungen nur unzureichend instand gehalten waren.

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Die Grenzfestungen versagten dabei kläglich. Die Festung Kufstein musste wegen verhängnisvollen Fehlern aufgegeben werden. Die Festungen Ehrenberg (Reutte), Leutasch und „Porta Claudia“ in Scharnitz müssen kampflos kapitulieren, da der Feind aus der „falschen“ Richtung, vom Inntal her angreift. General Maffei rückte erst nach der Übergabe der „Porta Claudia“ mit 3000 Mann Verstärkung von Norden ins Land ein und bezieht am 9. Juli Quartier in Zirl. Sein Weg ist von Brandschatzung und Plünderung gekennzeichnet. Der Kurfürst lässt sich bereits in Innsbruck als „Gefürsteter Graf von Tirol“ huldigen. Er versucht durch Versprechungen und Zusagen das Volk und die Beamtenschaft freundlich zu stimmen. Als abschreckendes Beispiel verfolgt er alle, die ihm die Gefolgschaft verweigern mit besonderer Härte und lässt sogar ihre Häuser zerstören. Diese Vorgangsweise verfehlte natürlich in vielen Fällen nicht seine Wirkung. Der Postmeister von Zirl, Martin Schandl, war einer jener, die sich aus welchen Gründen auch immer, für verräterische Zwecke missbrauchen ließen. Beinahe das gesamte Oberland, mit ihm natürlich auch der Gerichtsbezirk Hörtenberg, lässt sich wegen dieser Maßnahmen beeindrucken und verzichtet auf Widerstand. Aber diese Rechnung ging dem Kurfürsten dennoch nicht auf. Wegen der großen Tributforderungen erwachte das Volk allmählich aus seiner Lähmung. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung war trotz aller Versprechungen nicht mehr bereit, sich diesen Forderungen zu beugen.

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Es kommt deshalb am 1. Juli zur, für die bayrischen und französischen Truppen, verheerenden Schlacht an der Pontlatzer Brücke. Auch die zermürbenden Kämpfe mit den Südtiroler Schützen am Brenner zeigen Wirkung. Die französischen Offiziere beklagen sich beim Kurfürsten, dass ihre Soldaten schonungslos zu Angriffen auf die Schanzanlagen am Brenner eingesetzt würden und diese überdies ganz auffallend bevorzugte Ziele der treffsicheren Tiroler Schützen seien. Die Schützen haben, bei aller Verbitterung gegenüber den Bayern, ihre „scharfzielenden Kugelbüchsen“, doch lieber auf die „französischen Fremdlinge“ gerichtet. Die feindlichen Truppen müssen dieser Heckenschützentaktik Tribut zollen und sich allmählich gegen Innsbruck zurückziehen.

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Durch die militärischen Erfolge bei Pontlatz und am Brenner kommt allmählich der Widerstand der Tiroler in Schwung. Der Aufstand der Oberländer setzte sich Richtung Innsbruck fort. In Scharnitz und Seefeld sowie in Flaurling, Inzing und Ranggen werden die feindlichen Besatzer vertrieben. Die Schützen, die in der Zwischenzeit auch eine Verstärkung von 550 Mann kaiserlicher Soldaten unter dem Kommando von Freiherr v. Heindl über das Vintschgau erhalten hatten, rückten nun über Telfs und Inzing gegen Zirl vor. Es kommt zum Kampf um die Zirler Innbrücke. Es galt die Brücke zu erobern um gegen Innsbruck erfolgreich auf beiden Seiten des Inns vorrücken zu können.

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Kämpfe in Zirl - Kampf um die Zirler Innbrücke

 

In der Nacht zum 21. Juni fuhr der Forstknecht und Jäger Anton Lechleitner, der in Martinsbühel wohnte, mit der dortigen Fähre über den Inn um den Landsturm von Kematen und Völs aufzubieten. Sie sollten so heimlich wie möglich bis zur Zirler Innbrücke vorrücken um dann gemeinsam mit den bereits dort versammelten Schützen die Brücke im Handstreich erobern. Dieser überraschende Handstreich wurde jedoch durch einen Schützen, dem ein Schuss unbeabsichtigt losging, zunichte gemacht. Nun blieb den Zirler und Hörtenberger Schützen nichts anderes übrig, als im Sturm die Brücke zu nehmen. Es kam zu einem blutigen Kampf um die Innbrücke, aus denen schließlich die Tiroler als Sieger hervorgingen. Von den 240 bayerischen Soldaten konnten sich nur 16 Dragoner (Reiter) nach Innsbruck absetzen, alle anderen fielen oder wurden gefangengenommen. Durch Mut und Tapferkeit zeichneten sich dabei besonders die Schützen Michael Puelacher, Bartlmä Gressel, Michael Sailer und Michael Traxler aus Zirl aus.

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„Zirler Herrgott“ in der Kreuzkirche bei Pill

 

Die bei diesen Kämpfen in Brand geratene Zirler Innbrücke brannte ab. Das am Brückengeländer angebrachte Kreuz stürzte unversehrt in den Inn wo es aufrecht stehend den Inn entlang bis Pill geschwommen ist. An der Engstelle, zwischen Pill und Schwaz wird das Kreuz von dort Wache haltenden Schützen aus den Fluten des Inns geborgen.


An dieser Stelle wurde für das Kreuz eine Kapelle aus Holz errichtet. 1764 wurde dann die heutige „Kreuzkirche“ erbaut. Die von Christoph Mayr 1767 geschaffenen Bilder zeigen die Historie von der Auffindung des Kreuzes und von der festlichen Einweihung der Kirche. Auf diesem Bild sind auch die dazu ausgerückten Schützenkompanien abgebildet. Die Darstellung der Schützenkompanien und deren Trachten sind historisch sehr wertvoll. Ob zu dieser Einweihung auch die Zirler Schützen ausgerückt sind, ist leider nicht belegt. Auf dem Hochaltar des Kirchleins steht das besagte Kreuz, es wird heute noch als „Zirler Herrgott“ verehrt. Die Kreuzkirche in Pill wurde in den Jahren 1981-1985 renoviert. Dabei wurde die ganze Kirche um 1,4 Meter gehoben und um 5 Meter von der Bundesstraße zurückgesetzt um sie vor den Straßenabwässern und dem Streusalz zu schützen.

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Die Kämpfe bei Martinsbühel

 

Nach der Vertreibung der Feinde aus Zirl bezogen die Schützen (800 Mann) und 150 kaiserliche Soldaten zwischen Martinsbühel und dem Hofwald bei Kranebitten Stellung. Eine meterdicke Mauer sperrte die Straße von der Festung Martinsberg (Martinsbühel) bis hinauf zu den Wänden der Martinswand. In den eilig errichteten Schanzen beim Meilbrunnen, beim „Blattl-Egg“ auch „Plattele“ genannt und in Martinsbühel gingen kaiserliche Soldaten und die ausgesuchtesten Scharfschützen, aus dem Oberland und dem Vintschgau, aus Zirl werden namentlich Christoph Lechleitner, Klemet Jöchl, Georg Öfner und ein gewisser Stocker erwähnt, in Stellung. Die anderen Schützen plazierten sich im Gelände oberhalb der Straße an vorteilhaften Positionen. Um das Vordringen der Feinde auf der Straße zusätzlich zu erschweren, wurde die Straße zwischen Meilbrunnen und dem Hofwald „verhackt“ das heißt mit Bäumen unpassierbar gemacht. Die dringend gebrauchten Feldschlangen (Kanonen), die in Stellung gebracht hätten werden sollen, waren zum Leidwesen der Verteidiger jedoch nicht eingetroffen.

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In der Zwischenzeit überbrachten Boten dem Kurfürsten die Kunde, dass sich die Tiroler im Ober- und Unterland erhoben haben und dass die Südtiroler Schützen über den Brenner Richtung Innsbruck vorrückten. Er sah sich plötzlich mit seinen Truppen in Innsbruck von allen Seiten eingeschlossen. Da beschloss er, die Verschanzungen beim „Schwarzem Kreuz“, östlich von Völs und an der Martinswand zu stürmen, um sich die Verbindung nach Bayern über Seefeld und Scharnitz zu wahren.

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Am 23. Juli brach der bayrische Kurfürst in Innsbruck auf, um die beiden Schanzen bei Völs und Zirl zu stürmen. Dazu teilte er sein Heer in zwei Gruppen. Der erste Teil, größtenteils aus Franzosen bestehend, unter der Führung der Generäle Riciourt und Lützelburg, marschierte über die Gallwiese bei Mentlberg vor die Verschanzungen beim „Schwarzen Kreuz“ in Völs. Dort waren die Schützen des Gerichtes Sonnenburg (Wilten) und die von Axams, Oberperfuss, Oberhofen und Inzing eingesetzt. Die andere Gruppe, bestehend aus 5 Bataillonen Fußtruppen, einigen Schwadronen Reiterei und den nötigen Kanonen, unter der Führung des Marschalls Sanfré und des Generals Maffei zog am linken Innufer gegen Martinsbühel, wo sie bei Tagesanbruch auf den ersten Widerstand trafen.

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Sobald die Bayern in die Nähe der Schanzen kamen, feuerten die Schützen auf die feindliche Streitmacht. Jeder Angriff wurde mit gut gezielten Schüssen und mit Steinen von den steilen Hängen herab zurückgeschlagen. Nun versuchten die feindlichen Soldaten das steile Gelände zu erklimmen, wobei sie von den sich allmählich zurückziehenden Schützen ständig beschossen wurden. Erst nach mehrstündigem hartem Kampf konnte sich der Feind bis an die Schanzanlage beim „Plattele“ heranarbeiten. Aber hier scheiterte jeder Angriff am hartnäckigen Widerstand der Verteidiger. General Maffei hat in seinen Memoiren versichert, dass diese Stellungen ohne dem Beschuss durch den Kanonen aus der gegenüberliegenden Innseite nie bezwungen hätten werden können.

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Inzwischen hatte aber der Kurfürst die Schanze beim „Schwarzen Kreuz“ eingenommen. Dadurch konnte er mit seinem Kanonen die Verteidiger beim „Plattele“ und in Martinsbühel auch ins Flankenfeuer nehmen. Durch die Splitterwirkung und dem durch den Kanonenbeschuss ausgelösten Steinschlag kamen die Verteidiger in arge Bedrängnis. Als es schließlich den feindlichen Dragonern glückte, auf ihren Pferden den Inn zu überqueren, war der Feind auch noch im Rücken der Schützen. Fluchtartig mussten sie die Stellungen trotz allen Heldenmutes und Opfergeistes aufgegeben. Wer nicht unter den Säbeln des Feindes fiel, geriet in Gefangenschaft. Nur wenigen Schützen gelang es, sich ins Brunntl durchzuschlagen. Bei diesem Kampf, es war dies der verlustreichste der Tiroler im Jahre 1703, sind 57 Schützen und 80 kaiserliche Soldaten gefallen. 70 Landstürmer und gegen 100 Soldaten sind in Gefangenschaft geraten. Die Verluste der Bayern und Franzosen wird mit über 700 angegeben. Nach diesem Gemetzel bei Martinsbühel drang der Feind ungehindert in Zirl ein. Ferdinand Graf von Arco, Adjutant des Kurfürsten, wird erschossen.

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Als der bayerische Kürfürst, nach der Erstürmung der Schanzen bei Völs mit seinen Soldaten Richtung Zirl ritt musste er die Engstelle beim sogenannten „Reißenden Ranggen“, südlich des Inns passieren. Dort lauerte aber bereits der kaiserliche Revierförster Anton Lechleitner aus Zirl um ihn aus dem Hinterhalt zu erschießen. Den Soldaten voraus ritt aber Graf Arco, der Adjutant des Kurfürsten in prächtiger Uniform. Der Kurfürst selbst trug aus weiser Vorsicht einen einfachen Reitermantel. Max Emanuel entgeht durch diese List aber dem sicheren Tod, denn Lechleitner schießt prompt auf den Grafen Arco, den er wegen seiner prächtigen Uniform für den Kurfürsten gehalten hat.

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Zirl und das Schloss Fragenstein werden niedergebrannt

 

Als Vergeltung für die ihn bei Martinsbühel zugefügten großen Verluste und als Rache für den Tod seines Adjutanten überlässt der bayerische Kürfürst Max Emanuel, Zirl zwei Tage lang der Wut seiner Soldaten, die neben der Plünderung auch noch unvorstellbare und abscheuliche Grausamkeiten an der Bevölkerung und an den Gefangenen verübten. Zirl wird anschließend in Brand gesteckt und brennt völlig ab.

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Über die Gräueltaten, die im Totenbuch aufgeschrieben sind, berichtet „Curat Schranz“ in seiner Topographie lediglich: „An den Einwohnern, denen die Soldaten habhaft wurden, werden grausame Mordthaten verübt. Den Schmiedemeister Franz Mader verbrannten sie in seiner Feueresse, dem Christoph Witting banden sie Hände und Füße und verbrannten ihn so auf dem Dorfplatz, der Eva Portnerin stachen sie die Augen aus. Die blinde Anna Kaeferin schossen sie nebst vielen anderen tot.“ Kurat Schranz verzichtet dabei auf das weitere Nennen von abscheulichsten Taten.

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Wenn man bedenkt, dass zu dieser Zeit die Folter ein legales Mittel der Gerichtsbarkeit war und die bayerischen Soldaten in den Türkenkriegen diese Grausamkeiten gesehen und erlebt haben, dann kann man am ehesten begreifen, weshalb es zu solchen Abscheulichkeiten gekommen ist. In die umliegenden Nachbargemeinden Völs, Kematen und Unterperfuss wurde ebenfalls geplündert, gemordet und alle Behausungen niedergebrannt. Die über den Zirlerberg Richtung Seefeld abziehenden Feinde hausten in Leithen, Reith und Seefeld ähnlich wie in Zirl.

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Am Abend des 24. Juli, beim Schein des brennenden Dorfes, versuchten die Bayern vergebens das Schloss Fragenstein einzunehmen. Am 25. Juli setzten die Tiroler das Pulvermagazin auf Schloss Fragenstein selbst in Brand, um das Schloss nicht unversehrt in Feindeshand fallen zu lassen. Die feindliche Übermacht war zu groß um Fragenstein erfolgreich verteidigen zu können.

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Als die Südtiroler Schützen, die in der Zwischenzeit auch durch das kaiserliche Militär Verstärkung erhielten, vom Brenner gegen Innsbruck unaufhaltsam vordrangen, entschloss sich Max Emanuel am 26. Juli zum raschen Abzug aus Innsbruck. Er zog sich über Hötting und Zirl bis nach Seefeld zurück. Bei Steinach wurde die kurfürstliche Militärmusik, die vorwiegend mit Beuteinstrumenten aus den Türkenkriegen ausgestattet war, von Matreier Schützen gefangengenommen. Matrei am Brenner kann sich deshalb rühmen, die erste Musikkapelle Tirols, in „türkischer Besetzung“ zu sein. Eine Musikkapelle in „türkischer Besetzung“, das heißt, mit Blechblasinstrumenten, Tschinellen, Pauken und Schellenbaum ausgestattet, war in Tirol hundert Jahre später noch immer eine Besonderheit.

Zum Dank für das völlig überraschende und kampflose Verlassen der Landeshauptstadt durch die bayerischen Truppen errichtete man die sogenannte „Annasäule“ in der heutigen Maria-Theresien-Straße. Obwohl die Mutter Gottes auf dieser Säule steht, wird sie „Annasäule“ genannt, da am Annatag (26.Juli) die feindlichen Truppen Innsbruck verlassen haben.

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Kämpfe bei der Schützenschanz im Kristental

 

In Scharnitz halten sich die Bayern und Franzosen unter General Maffei noch bis Ende August um die noch stehenden Trümmer der Grenzfestung „Porta Claudia“ vor ihrem Abzug endgültig zu zerstören. Durch Proviantmangel kommt es bei den verfolgenden kaiserlichen Soldaten in Seefeld zum Überlaufen mehrerer Dragoner (berittene Soldaten) zu den Feinden. Diese setzten den Kurfürsten von der tatsächlichen Stärke (Schwäche) der Verfolger und vom voreilig befohlenen Abzug der Südtiroler und kaiserlichen Soldaten Richtung Brenner in Kenntnis. Es kommt deshalb ab dem 30. Juli zu den befürchteten Gegenangriffen, die den Kurfürsten sogar einmal bis nach Zirl zurückführten.

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Bei diesen, beinahe den ganzen August anhaltenden heftigen Gefechten zwischen Scharnitz und Zirl, kommt es auch zu Kämpfen bei der Schützenschanz in der Nähe der Kirstenalm. Die feindlichen Truppen versuchten über das Gleirschtal und der Kristenalm ins Inntal vorzudringen um den bei Leithen, Reith und Seefeld in Stellung gegangenen Tirolern und kaiserlichen Soldaten in den Rücken zu fallen. Ob es bei den Kämpfen in der Schützenschanz auch Tote gegeben hat, ist nicht bekannt. Die Flurbezeichnung „Bei den armen Seelen“, auf halbem Weg zwischen Kristenalm und Schützenschanz würde aber auf gefallene feindliche Soldaten hindeuten, weil es sonst keine schlüssige Erklärung für diese Flurbezeichnung gibt. Zur Verteidigung der Schützenschanz wurden neben den Hörtenberger Schützen auch die Schützen aus dem Gericht Sonnenburg (Wilten) und Hötting aufgeboten.

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Das Ende der Kämpfe

 

Ende August mussten sich die feindlichen Truppen endgültig aus Tirol zurück ziehen. Einzig die Festung Kufstein konnte noch ein Jahr lang gegen den Ansturm der Tiroler gehalten werden. Im Gegenangriff, der bei Scharnitz, Kufstein und über den Achenpass gleichzeitig geführt wurde, drangen die Tiroler, unterstützt von kaiserlichen Soldaten, mordend, plündernd und brandschatzend in Bayern ein. Mit der Begründung „man habe die Grausamkeiten von den Bayern gelernt“, war aber den an Grausamkeiten völlig unschuldigen bayerischen Bevölkerung nicht geholfen.

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Der Heldenruhm, den sich der bayerische Kurfürst in den Türkenkriegen erworben hatte, verblasste in den Tiroler Bergen. Er büßte, je nach Quelle, zwischen drei- und fünftausend seiner besten Offiziere und Soldaten ein. Tirol hat 1703 die im Landlibell begründete Aufgabe, sich selbst zu verteidigen, erfüllt, obwohl Adel, Klerus, Bürger und auch das kaiserliche Militär die Landbevölkerung öfters im Stich gelassen haben. Es waren in erster Linie die Bauern, welche die Hauptlast in den Kämpfen trugen. Sie waren es auch, die sich mit gutem Grund von der „milden“ Regierung des Hauses Habsburg nicht trennen wollten.

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Kaiser Leopold I. sparte nicht mit Lob und Auszeichnungen für die erfolgreichen Landesverteidiger. Das Landgericht Hörtenberg erhielt für besondere Tapferkeit sogar die „Goldene Panzerkette“ an die Fahne geheftet. Bei Geldzuwendungen für den Wiederaufbau hielt sich das Kaiserhaus eher zurück, was bei den chronisch leeren Staatskassen nicht verwundert. Zirl erhielt als Entschädigung für die verheerenden Verwüstungen, neben kleineren finanziellen Zuwendungen, das Privileg zwei Märkte pro Jahr abhalten zu dürfen. Kaiserin Maria Theresia hat dieses „Marktprivileg“ 1777 erneuert und bestätigt.

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